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06.12.2024 - Metis

Vergessen wir nicht etwas bei der Digitalisierung unseres Bildungssystems?

von Niklas Weber - Projektleitung Medienanalyse

Seit 2019 gibt es den "DigitalPakt Schule", in dessen Rahmen das Bundesministerium für Bildung und Forschung insgesamt 6,5 Milliarden Euro aufwenden möchte, um die deutschen Schulen zu digitalisieren. Die Zeiten der Overheadprojektoren sollen nun also endlich vorbei, Flachbildschirme, Tablets und Künstlich Intelligenz dagegen auf der Tagesordnung stehen.

Ein Großteil des Geldes, 5,2 Milliarden, um genau zu sein, ist bereits verplant und knapp zweieinhalb Milliarden Euro sind auch schon abgeflossen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Schule o.j.) Mit Sicherheit wird die flächendeckende Digitalisierung der deutschen Schulen noch deutlich mehr kosten, aber eines steht auch jetzt schon fest: Sie geht voran, die Digitalisierung in Deutschland.

Aber vergessen wir dabei nicht etwas? Tablets und dergleichen sind zwar schön und gut, aber...

Was machen wir eigentlich mit den Medien?

Screenshot: Mobiles Gerät mit vielen Social-Media Apps

Die neuen Geräte bedienen zu können heißt noch lange nicht, mit diesen auch sachgerecht umgehen zu können. Das Internet ist unser alltäglicher Begleiter, weist dabei aber auch einige Tücken auf.

Fakt ist, die heutige Jugend verbringt täglich durchschnittlich ca. 3,5 Stunden online, Tendenz steigend. Dabei sind Apps wie Instagram, TikTok und YouTube aus dem Alltag Vieler nicht mehr wegzudenken. Wie wichtig die Rolle ist, die diese Plattformen in der Bildung der Jugend einnehmen, wird dann deutlich, wenn man sich anschaut, über welche Kanäle sie sich über das Weltgeschehen informiert. Jeweils ein Drittel der Jugendlichen informieren sich mehrmals die Woche über die Vorkommnisse in der Welt über die drei oben genannten Plattformen. Die Betreiber dieser sozialen Plattformen, also Meta, ByteDance und Google, nehmen damit häufiger Einfluss auf das Weltbild der Jugend als Radiosender oder die altehrwürdige Zeitung.

Darüber hinaus stoßen ungefähr die Hälfte aller Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 mindestens einmal im Monat auf Fake News, beleidigende Kommentare und extreme politische Ansichten. Dabei sind es insbesondere die älteren Jugendlichen, denen Fake News im Internet auffallen. So treffen nur 40% der 12-13-Jährigen monatlich auf Fake News, bei den 18-19-Jährigen sind es dagegen schon 72%. Ob dieser Unterschied daran liegt, dass sich diese beiden Altersgruppen in unterschiedlichen Kreisen im Internet bewegen oder die Jugendlichen im Laufe der Zeit geübter in der Erkennung von Falschnachrichten werden, kann dabei nicht schlussendlich geklärt werden. (vgl. Feierabend et al. 2023).

Befindet sich aber nicht genau da der springende Punkt? Wie soll der verantwortungsbewusste Umgang mit Medien und Journalismus erlernt werden? Momentan besteht das Aneignen einer zeitgerechten Medienkompetenz hauptsächlich aus einem: Trial and Error.

Doch reicht das aus? Nein! Da ist sich auch Hans-Jakob Erchinger, seinerseits Leiter der Fortbildung zum journalistischen Arbeiten in Schulen in Niedersachsen, sicher und schlägt als Teil des Digitalpakts 2.0 einen Medienpakt vor. Ziel soll es sein, nicht nur die Schulen zu digitalisieren, sondern auch die Lehrkräfte entsprechend journalistisch zu schulen. In den Schulen sollen bereits die Grundlagen des Journalismus vermittelt werden, damit sich die Jugend im Urwald der Fake News zurechtfinden kann (vgl. Erchinger 2024). Recht hat er!

Neben Tablets und Bildschirme braucht es für die weitere Digitalisierung vor allem eines: Mehr Medienkompetenz!

Mehr Digitalisierung = mehr Medienkompetenz!

Mutter mit Tochter sitzen zusammen vor einem Laptop

  • Woran lassen sich Fake News von seriöser Berichterstattung unterscheiden?
  • Woran lassen sich Fake News von seriöser Berichterstattung unterscheiden?
  • Was sind parasoziale Beziehungen und warum fühlen wir uns zu doch eigentlich wildfremden Influencern so hingezogen?
  • Was ist überhaupt KI, wofür kann ich sie benutzen und, vor allem, wie kontrolliere ich die Datengrundlage, auf der die KI basiert?
  • Und warum sind es denn insbesondere rechtsradikale Bewegungen, die in einer kaum kontrollierten Medienlandschaft wie den Sozialen Medien so florieren?

In den Schulen Antworten auf diese Fragen liefern zu können, sollte genauso unser Anspruch sein wie diese zeitgemäß auszustatten. Auch das ist leichter gesagt als getan, aber nicht unmöglich!

Denn das Gute ist, dass wir auch unsere Lehrkräfte nicht mir der Digitalisierung und der Vermittlung von Medienkompetenz alleine lassen müssen. Es gibt bereits Projekte und Lehrkräfte, die sich in den verschiedensten Facetten der Medienwissenschaften und Medienpädagogik bestens auskennen und diese auf regionaler Ebene oder in der Erwachsenenbildung in die Schulen bringen.
So gibt es zum Beispiel in NRW bereits die „Medienscouts“. Dabei handelt es sich um qualifizierte Jugendliche, die an Schulen anderen Jugendlichen bei Fragen rund um digitale Medien weiterhelfen. Zusätzlich dazu stehen auch den Scouts Beratungsfachkräfte zur Seite, die bei Fragen und Unklarheiten aus- und weiterhelfen können.
Hinzu kommen noch europaweite Aktionen, wie etwa das „Critical Thinking & Media Literacy“ Projekt, durch das Studenten europaweit kostenlos ihre Fähigkeiten im kritischen Denken und der Identifizierung von Falschnachtrichten erweitern können.

Solche Kooperationen und Fortbildungen, durch die die Medienwissenschaften auch in der Kinder- und Jugendbildung in die Schulen kommen und langfristig unsere Gesellschaft für die digitalen Medien sensibilisieren, sind genauso notwendig, wie die nächsten Tablets oder stabile WLAN-Verbindungen.

Wer selbst schon einmal zu einem Thema Recherche betrieben hat, um einen entsprechenden Artikel schreiben zu können oder stattdessen seine Inhalte frei erfunden hat, der entwickelt auch im Alltag ein Fingerspitzengefühl für die Qualität seiner konsumierten Inhalte. Wer schon einmal selbst einen Social Media-Account erstellt hat, um zu versuchen, auf diesem regelmäßig virale Inhalte zu erstellen, der weiß auch, wie schnell die Authentizität dabei auf der Strecke bleiben kann. Und wer selbst schon einmal eine Datengrundlage für eine KI erstellt hat, der überlegt es sich bei dem nächsten Aufsatz auch noch ein zweites Mal, ob ChatGPT diesen wirklich alleine schreiben sollte.

All das sind Eindrücke, die die Schüler:innen nicht alleine sammeln sollten, sondern die im Rahmen des Digitalisierungsprozesses in Schulen Berücksichtigung finden sollten. Denn zur Digitalisierung gehört eben auch, diese kontrollieren zu können, anstatt von ihr kontrolliert zu werden. Und das geht nur mit mehr Medienkompetenz!

Quellenverzeichnis
Bundesministerium für Bildung und Schule (o.j.): Die Finanzen im Digitalpakt Schule
Erchinger, H-J., (2024): Digitalpakt 2.0: Mehr Journalismus in die Schulen! | ZEIT ONLINE
Feierabend, S., et al. (2023): JIM-Studie 2023

Bildquellen:
Lizenzfrei von Pexels.com


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